December 13, 2012

Bundestipp 13.12.2012

Der fromme Wunsch nach Fairness

Er war groß, glatzköpfig und ziemlich unbeliebt. Und vor jedem Spiel baute er sich in der Kabine auf. "Meine Herren", brummte der Schiedsrichter, "sie wissen Bescheid. Es gibt Regeln. Sie halten sich dran. Falls nicht …..". Dann griff er mit eindeutiger Geste zu Notizblöckchen und Karten. Und weil die Sporthose noch über eine Gesäßtasche verfügte, hatte jeder Spieler ein Taschentuch nachzuweisen. Schnäuzen ohne war irgendwie noch nicht in Mode. Es gab Tage, da spielten nach 90 Minuten nur noch 9 Mann hier – und acht Mann dort. Dann war es einer der besseren. Es hat zwar ein bisschen gedauert, aber das Team lernte daraus. Weil der Coach sich im Fußball auskannte – und Ahnung vom Leben hatte. "Jungs, seid hart, aber bleibt fair", lehrte er unermüdlich, "ihr schadet euch ansonsten nur selbst."
Das war in den 70er Jahren. Die Zeiten waren nicht besser, aber anders. Und sie erzählen davon, dass Fußballer lernen können, sich an Regeln zu halten, die sich ihr Sport selbst gegeben hat. Das ist nicht unbedeutend, wenn Spieler die Eckfahne kaputt treten, weil sie ein Tor geschossen halben – oder mit Schaum vor dem Mund den Platzverweis des Gegenspielers fordern. Wenn sie mit Gesichtsmasken und ausgeschlagenen Zähnen antreten, weil der eine oder andere Sportsfreund seinen Ellbogen nicht bei sich behalten kann. Wenn ein Linienrichter in den Niederlanden verfolgt und totgeschlagen wird. Und ein Teil der Fangemeinde den Weltuntergang befürchtet, weil sich die Liga strengere Kontrollen auferlegt, um den ungetrübten Spaß am Spiel zu gewährleisten. Sie träume davon, sagte neulich die Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus, dass Fußballer so viel Fairness und Respekt entwickeln, dass sie eines Tages ohne Regelhüter in einem Stadion voller friedlich feiernder Menschen spielen können. Ein frommer Wunsch, der es wert ist, an ihn zu glauben.

Amateurklubs der Niederlande gedenken toten Linienrichters

In den Niederlanden haben Amateuervereine am Samstag nach dem gewaltsamen Tod eines Linienrichters zu Respekt im Fußball gemahnt. Sie hatten ihre Clubhäuser für Gespräche und Gedenkfeiern geöffnet. Der niederländische Fußballbund KNVB hatte die rund 33 000 Amateurspiele am Wochenende abgesagt und die Vereine zu Aktionen gegen Gewalt und Aggression aufgerufen. "Wir sind uns alle einig, dass dies nie wieder geschehen darf", schrieb der KNVB-Direktor für den Amateurfußball, Anton Binnenmars.

100 ehrenamtliche Referees treten zurück

Nach dem gewaltsamen Tod eines Linienrichters haben 100 ehrenamtliche Schieds- und Linienrichter des niederländischen Fußballverbands KNVB mit sofortiger Wirkung ihre Tätigkeit im Amateur- und Jugendbereich beendet. Das meldet die Zeitung "De Telegraaf". Die tödliche Prügelattacke durch Jugendspieler des SV Nieuw-Sloten auf den 41 Jahre alten Richard Nieuwenhulzen am Sonntag in Almere war der Tiefpunkt zahlreicher Gewaltexzesse gewesen. Der niederländische Fußballverband KNVB reagierte derweil auf die scharfe Kritik einiger Amateurklubs, Vergehen zuletzt nicht hart genug bestraft zu haben. "Wir nehmen diese Kritik sehr ernst", sagte das für den Amateurfußball zuständige KNVB-Präsidiumsmitglied Fransen.

Endspiel 2015 vermutlich in Berlin

Die beste Klub-Mannschaft des europäischen Fußballs wird 2015 wohl erneut in Deutschland gekrönt. Laut Information der Bild und der Gazzetta dello Sport wird das Endspiel in drei Jahren im Berliner Olympiastadion stattfinden. Erst in diesem Jahr war München Austragungsort des Finals. Bayern München unterlag dem FC Chelsea im Elfmeterschießen. Offiziell wird die Entscheidung erst im März 2013.

Real? Milan? Porto? Mögliche Achtelfinal-Gegner der Bundesligisten

  • Mögliche Gegner für FC Bayern München: FC Porto, FC Arsenal, AC Mailand, Real Madrid, Donezk, Celtic Glasgow, Galatasaray Istanbul
  • Für den FC Schalke 04: FC Porto, AC Mailand, Real Madrid, Donezk, FC Valencia, Celtic Glalsgow, Galatasaray Istanbul 
  • Für Borussia Dortmund FC Porto, FC Arsenal, AC Mailand, FC Valencia, Celtic Glasgow, Galatasaray Istanbul

Die Auslosung findet am 20. Dezember statt.

Innenminister setzen die DFL unter Druck

Die Politik droht mit Konsequenzen, sollte das Sicherheitskonzept durchfallen. Wolfgang Nierbach fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Haut. Immer wieder verzog der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) das Gesicht, als Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) und dessen NRW-Kollege Ralf Jäger (SPD) dem deutschen Fußball verbal einheizten. "DFB und DFL haben uns ihre Vorschläge vorgelegt. Ich sage ganz offen. Wir hätten uns mehr vorstellen können", sagte Jäger beim Sicherheitsgipfel mit den Spitzen von DFB und DFL in Hannover. Unmissverständlich gaben die Politiker Niersbach und Ligapräsident Reinhard Rauball ihre Forderungen mit auf den Weg, die vor allem der Deutschen Fußball-Liga (DFL) ein Dilemma bescheren. Für die Innenminister ist es absolut entscheidend, "dass die Liga auf ihrer Mitgliederversammlung am 12. Dezember ein klares Konzept beschließt und dass sich alle Vereine daran halten", mahnte Schünemann, der am 1. Januar den Vorsitz der Innenministerkonferenz übernehmen wird. Ein Scheitern des Konzepts "Sicheres Stadionerlebnis", gegen das die Fans auch in den kommenden Wochen protestieren wollen, könnte die Klubs teuer zu stehen kommen. "Dann werden wir uns auch über Kostenbeteiligung im Bereich der Polizei unterhalten müssen", drohte Niedersachsens Innenminister Schünemann.

Bayern will Seelers 16-jährigen Enkel verpflichten

Levin Öztunali, der 15-jährige Enkel von Uwe Seeler, spielt in der A-Jugend des HSV und gilt als großes Talent. Muss sich der deutsche Ehrenspielführer bald bei den Bayern im Gebüsch verstecken? Fußball-Bundesligist Hamburger SV droht der Verlust von Levin Öztunali und Enkel der HSV-Legende Uwe Seeler. Der FC Bayern soll an dem 16-Jährigen interessiert sein, zudem liegen Nachwuchsspieler Jonathan Tah Angebote von Manchester United und dem FC Arsenal vor. "Das Interesse ist bekannt. Wir nehmen es ernst, arbeiten aber daran, die Jungs in Hamburg zu halten", sagte Bastian Reinhardt, Chef der Nachwuchsabteilung des HSV, der "Hamburger Morgenpost". "Wir trauen ihnen zu, den Sprung in den Profikader zu schaffen – und das recht zügig". Öztunali und Tah spielen gemeinsam in der A-Jugend der Hanseaten. Ein echter Seeler im Trikot von Bayern München? Für die HSV-Fans eine absolute Horrorvorstellung. Deshalb kämpft Ex-Profi Reinhardt um den talentierten Seeler-Enkel, dessen Vertrag in Hamburg im kommenden Sommer ausläuft. "Die Gespräche laufen, die Entscheidung ist noch offen. Ich hoffe aber, dass wir bald zu einem positiven Abschluss kommen." Großvater Seeler will seinen Enkel auf dem Weg ins Profigeschäft nicht unter Druck setzen. Bei Spielen von seinem Enkel versteckt sich der 76-Jährige immer im Gebüsch. "Wenn Levin spielt, soll er nicht wissen, dass ich da bin. Nachher meint er noch, er müsse etwas Besonderes für den Opa machen". Der Weg zum Profi sei noch sehr lang. "Man muss sehen, ob er durchhält. Weil er sein Abitur machen will, hat er jeden Tag Schule und Training. Das ist Stress. Aber da muss er durch, wenn er Profi werden
will."

Wolfgang Stark würde auch Uwe Seeler Rot zeigen

Langweilige Spiele sind nichts für Wolfgang Stark, der mit einem Fehler Dortmunds Niederlage einleitete. Der Schiedsrichter wirkt, als hätte er sich schon als Junge ein Regelbuch zu Ostern gewünscht. Wir alle machen uns die Dinge oft viel zu leicht und tun gerade so, als sei beispielsweise das menschliche Knie von der Hand problemlos zu unterscheiden. Wie knifflig das in Wirklichkeit ist, haben wir am Samstag bei Wolfgang Stark gesehen. Wenn er Arzt wäre, hätte er blindlings auf Mittelhandbruch getippt – dabei war es ein Kreuzbandriss – Fehldiagnose. Dumm gelaufen ist das für den Dortmunder Marcel Schmelzer. Der Schiedsrichter Stark hat in jener alles vorentscheidenden 38. Minute gegen Wolfsburg kurzen Prozess mit ihm und dem BVB gemacht. Hand, Elfmeter, Platzverweis – und als die Kirche aus war gesagt: "Es war leider ein Wahrnehmungsfehler".
Der Unterschied zwischen Knie und Hand ist jedenfalls geringer als der zwischen Stark und einem normalen Schiedsrichter. Letzterer sagt im Zweifelsfall Knie und lässt weiterspielen – Stark sagt im Zweifel Hand, Strafstoß und raus. Doch jetzt die gute Nachricht. Bei Wolfgang Stark ist immer was los, oft sogar der Teufel. An solchen Tagen macht er aus jedem Stadion ein Tollhaus und lässt den Deckel vom Dampfkessel fliegen, zumindest aber dem Klopp vom Kopf. Wenn wir den geschwollenen Hals des Meistertrainers nach dem Schlusspfiff richtig deuten, hätte er am liebsten kurz den Kobiaschwili gemacht. Das ist jener fuchsteufelswilde Georgier, der im Hertha-Trikot vorigen Mai nach dem Relegationsskandal in Düsseldorf diesem Stark an die Wäche ging – die damaligen Tumulte beschäftigten noch Wochen danach die Gerichte und die Gemüter. Jürgen Klopp hat also das Ventil pfeifen lassen, sich aber im Schulterschluss mit Manager Michael Zorc ("unfassbar") und Geschäftsführer Watzke ("ich verliere fast die Selbstbeherrschung") tapfer zusammengerissen. Oder hat er aufgegeben, sich abgefunden mit dem Unabänderlichen? Schon vor Wochen zitierte der Meistertrainer den Paragrafen eins im Regelbuch resigniert so: "Herr Stark hat immer recht."
Zumindest ist der pfiffige Bayer immer das Eintrittsgeld wert. Bei so einem Testspiel am Samstagabend sowieso, da zieht er alle Register und garantiert das Besondere, und selbst wenn ein Spiel mal aus den Fugen gerät, bebt zumindest das Stadion. Langweiliger Fußball ist unter Stark ausgeschlossen, eher könnten wir uns vorstellen, dass er sogar in einem Wohltätigkeitskick der Sepp-Herberger-Stiftung zugunsten notleidender Altnationalspieler für Rudelbildungen sorgt und gegen den meckernden Uwe Seeler das aus der Hose zieht, was die Fußballer die "Arschkarte" nennen, also glatt Rot. Götze hat er am Samstag in Dortmund auch noch zusammengefaltet. Kurz vor Schluss des Spiels in Dortmund überschlugen sich die Ereignisse. Sieben Minuten also noch – Freistoß für Dortmund, schnell und steil wird der Ball gespielt, es ergibt sich eine verheißungsvolle Chance – doch Stark pfeift zurück, er will den Ball etwas länger ruhen sehen. Götze meckert und sieht Gelb. Ganz Dortmund kocht und brodelt, der kleine Götze, das ganze Stadion. Aber Stark steht wie eine Eins. Er hat schließlich schon ganz andere Stadien in Aufruhr versetzt – bis es lichterloch brannte und nach dem Abpfiff Regenschirme für ihn aufgespannt werden mussten gegen die fliegenden Bierbecher – ja sogar die besonnensten Menschen mit der besten Kinderstube hat er auf 180 gebracht, wie Klaus Allofs. Als der Wolfsburger Manager noch bei Werder Bremen war, fauchte dieser sonst so Friedfertige plötzlich verzweifelt. "Wollen Sie nicht auch für uns mal ein bisschen pfeifen, Herr Stark? Am Samstag hat der ihm den Wunsch nun erfüllt – und anders als bei jenem alten Disput musste Diego, der damals auch noch Bremer war, seinen geschenkten Elfmeter diesmal sogar nur einmal vollstrecken. Wolfgang Stark verdanken wir ein paar der wahnsinnigsten Spiele und nun auch das auch noch am Samstag. Ohne seine falsche Wahrnehmung wäre die Sache wahrscheinlich ungefähr 3:1 für Dortmund ausgegangen, aber so bleibt das Rennen um Platz zwei nun weiter spannend. "Der Elfmeter und der Platzverweis waren Fehler", sagte Stark, "aber ich stehe dazu". Aufrappeln, Mund abputzen, weiterpfeifen. Er wird gebraucht im Zirkus des Fußballs. Er bringt Farbe ins Spiel, grätscht auch mal mit gestreckter Pfeife dazwischen, ist er ein bisschen van Bommel und ein bisschen Balotelli, notfalls ballt er von der Leistengegend auch mal die Hände zu Fäusten – jedenfalls bläst er den Millionären in den kurzen Hosen den Marsch und stiehlt allen die Show. Wie am Samstag. Noch ein paar solche Spiele, und dieser bayrische Bankkaufmann pfeift als Promi-Schiri in "Wetten, dass?" vor, muss rote Autogrammkarten drucken – und in den Fanshops hängt neben den Trikots von Götze, Reus und Özil auch noch ein schwarzes, das beflockt ist mit "Stark" und anstelle der Rückennummer mit einer großen Pfeife.