Deutschlands Hauptstadt wird zum Gespött der Fußballnation
Was die Eigentümlichkeiten des Fußballwesens in Deutschland betrifft, hat die Meisterstadt Dortmund einiges beizutragen. Man landet bei diesem Thema aber auch sehr schnell in Berlin. Und bei der Frage, wie es der Hauptstadt in schöner Regelmäßigkeit gelingt, sich zum Gespött der gesamten Fuballnation zu machen. Zugegeben, der Verein Hertha BSC hat es schwer. Seine Heimat ist emotional gespalten, sein Stadion zügig, seine Konten leer. Den gegenwärtigen Herthanern ist das nur bedingt vorzuwerfen. Ihr Job wäre allerdings, daraus das Beste zu machen. Das gelingt allerdings höchst selten. Es gibt im Fußball nun mal keinen Länderpunkteausgleich. Mit seiner schwierigen Lage, die auch historisch bedingt ist, muss der Fußballstandort Berlin schon alleine zurechtkommen. Der glückselige Fußballstandort Dortmund zeigt, dass so etwas möglich ist. Wenn man so will, ist hier ja von zwei Hauptstädten zweier strukturschwacher Regionen die Rede. Gerade der Vergleich zwischen Berlin und Dortmund macht aber klar, dass der Erfolg im Fußball nicht nur von Strukturen abhängt. Sondern auch von Personen. Es liegt erst ein halbes Jahrzehnt zurück, dass der BVB ähnlich dastand wie die Hertha heute – sportlich etwas besser, finanziell etwas schlimmer. Mit Entscheidungen, die im Wesentlichen Personalentscheidungen waren, haben die Dortmunder dann aus dem Wrack binnen weniger Jahre wieder eine Erfolgsmaschine gebastelt. Was die Berliner, diesem Beispiel folgend, jetzt brauchen, ist vor allem: Mut. Mut zum wohlkalkulierten Risiko. Dem Trainer Klopp alle Zeit zu geben, die er für die Neuausrichtung benötigte, war mutig. Erst Skibbe und dann Rehhagel nach Berlin zu holen – auf diese Ideen muss man zwar auch erst einmal kommen. Mutig waren sie aber nicht, sondern Ausdruck wachsender Verzweiflung. Die Berliner bräuchten, egal in welcher Liga, dringend einen Trainer, der auch mal eine Ergebniskrise – und zur Not auch einen Manager – überdauern darf. Was die Hertha nicht so dringend benötigt, sind dubiose Geschichten über geheime Mäzene und arabische Investoren. Und was sie gewiss nicht braucht, sind die damit verknüpften Andeutungen aus der Führungsriege, die darauf hindeuten: Wir machen so weiter wie bisher. Herthas Mannschaft wird im Abstiegsfall wohl komplett auseinanderfallen. Nach den jüngsten Ereignissen muss man sagen: Vielleicht ist das die erste gute Nachricht auf dem Weg zu einer besseren Zukunft.
Spaniens sinkende Sterne
Real Madrid und der FC Barcelona müssen sich in diesem Jahr das Finale in der Champions League im Fernsehen auschauen, aber dafür bestreiten die beiden spanischen Mannschaften Atletico Madrid und Athletico Bilbao das Finale in der Europa League. Sportlich ist Spanien trotz der verpassten Teilnahme um den Meistertitel in der Champions League dominierend, finanziell ist jedoch die Lage prekär, der Blick in die Bilanzen ist erschreckend. Experten sehen schon in der Bundesliga den kommenden Machtpol in Europa. Wer in die Bücher spanischer Fußball-Vereine guckt, darf nicht schreckhaft sein. Philipp Grothe, Chef der internationalen Sportmanagement-Agentur Kentaro, hat den Blick gewagt. Als ihm eine Beteiligung an einem namhaften Verein angeboten wurde, checkte er die Bilanzen – und nahm schnell Abstand von der Idee. "Wenn Sie da die erste Seite aufschlagen, da graut es Ihnen".
Pikant: Der Klub steht im Endspiel der Europa League. Präziser mag Grothe nicht werden. Sportlich dominiert der spanische Fußball trotz dem Ausscheiden von Real Madrid und FC Barcelona in der Champions League, doch spanische Fußball-Teams und die spanische Fußball-Nationalmannschaft lehren nicht nur ihren Gegnern das Fürchten. Auch Wirtschaftsprüfer erschaudern beim Studium der Vereinsfinanzen. Keine einzige Mannschaft schaffte es auf die Liste der zehn solidesten europäischen Top-Vereine, aufgestellt von Ernst & Young. In der Money League der Wirtschaftsprüfer von Deloitte liegt der FC Barcelona mit einem Umsatz von 451 Millionen Euro auf Platz zwei. Die mit Abstand größten Einnahmen kommen aus der TV-Vermarktung. Ein lukrativer Vertrag mit der TV-Vermarktungsgesellschaft Mediapro spülte rund 183 Millionen Euro in die Kassen des Vereins, das sind rund 40 Prozent der Gesamteinkünfte. Ein Viertel der Einnahmen stammen aus dem Ticketverkauf. Mit durchschnittlich knapp 80.000 Zuschauern liegt Barca im Vergleich zu anderen europäischen Top-Mannschaften ganz weit vorne. Das Urteil der Wirtschaftsprüfer über die Primera Division ist desaströs. Während sie die Bundesliga zur Referenz mit 100 Prozent erklären, erreichen die spanischen Teams gerade einmal 39 Prozent – das ist der schlechteste Wert in Europa. Der sportliche Höhenflug könnte sich schnell als Wendepunkt entpuppen. Auch wenn die beiden Top-Klubs Real Madrid und FC Barcelona vorerst weiter stark sein werden – für den Rest der spanischen Liga könnte die Blüte bald vorbei sein, vermutet der Unternehmensberater Jürgen Rothenbücher von A.T. Kearney. Als neue fußballerische Macht in Europa sieht er die Bundesliga – auch dank der höheren TV-Einnahmen ab 2013.
So verdiente Real Madrid im Geschäftsjahr 2010/2011 sein Geld
Über 80.000 Zuschauer passen ins Stadion Estadio Santiago Bernabeu – doch es ist nicht immer ausverkauft. 2010/2011 lag der Zuschauerdurchschnitt nur bei etwa 66.000 und damit noch unter dem Schnitt in der Saison 2009/2010. Damals war der Verein außerdem Gastgeber des Champions-League-Finals. Die Ticketerlöse sanken deswegen um vier Prozent auf 124 Millionen Euro. Die ab 2013 höheren Fernseh-Einnahmen werden Deutschland von Platz fünf auf Platz vier hieven. Die Bundesliga wird dominanter werden, Spanien wird dagegen stark abfallen. Wir sehen jetzt schon, dass die spanischen Klubs deutlich weniger für Spieler ausgeben. Und es wird noch weniger werden. Damit sinke im Vergleich zu anderen Ligen die Attraktivität für Starspieler. Die Lage in Spanien spitzt sich weiter zu – vor allem weil der politische Beistand erstmals bröckelt. Während sich die Fußballer auf die Spiele des Jahres vorbereiten, müssen ihre Funktionäre mit dem spanischen Staat um die Schuldentilgung feilschen. Die Teams aus den ersten beiden Spielklassen haben nach Liga-Angaben Verpflichtungen in Höhe von 673 Millionen Euro gegenüber den Steuerzahlern. Zusätzlich stehen die Vereine bei den spanischen Sozialversicherungen mit 600 Millionen Euro in der Kreide. Wirtschaftsfakten der Champions League
In der Saison2010/2011 schüttete die UEFA insgesamt 754,1 Millionen Euro an die 32 Teilnehmer der Champions League aus. Neben einer Antrittsprämie von 3,9 Millionen gab es 500.000,– Euro für jedes Vorrundenspiel, 400.000 Euro für ein Remis und 800.000,– für einen Sieg in der Gruppenphase. Die Qualifikation für das Achtelfinale war der UEFA 3 Millionen Euro wert, für das Viertel- und das Halbfinale gab es 3,3 und 4,2 Millionen Euro Prämie. Während sich der unterlegene Finalist mit 5,6 Millionen Euro trösten durfte, kassierte Sieger Barcelona für den Titel satte 9 Millionen Euro. Prompt riefen die Vereine nach einem Schuldenschnitt, doch die Regierung hat mittlerweile eine Sonderbehandlung ausgeschlossen – eine neue Erfahrung für die spanischen Klubs, die früher häufig von der Politik protegiert wurden. Der Staatssekretär für Sport, Miguel Cardenal, lässt keinen Zweifel an der Entschlossenheit der Regierung. "Wir haben mit den Klubs Rückzahlungspläne vereinbart, so wie es bei jeder anderen Firma in Spanien auch passieren würde. Bis 2020 soll
en alle Schulden abbezahlt sein. Am Mittwoch will die Regierung Details bekannt geben. Doch nicht nur der Staat wartet auf sein Geld. Jose' Gay de Lie'bana, Wirtschaftsprofessor an der Universität von Barcelona schätzt die Gesamtschulden der beiden spanischen Ligen auf rund vier Milliarden Euro. Allein Atletico Madrid und der FC Valencia hatten vor dieser Saison Schulden in Höhe von 500 Millionen und 400 Millionen Euro angehäuft. Auch sie lassen beim Staat anschreiben. Medienberichten zufolge hat Atletico Madrid Verpflichtungen in Höhe von rund 100 Millionen Euro, da steht Valencia mit nur fünf Millionen noch gut da. Den spanischen Vereinen bleibt jetzt nichts anderes übrig, als endlich zu sparen. Die EU würde sofort protestieren, wenn der taumelnde spanische Staat plötzlich seine Fußball-Vereine rettet. Industrielle und Firmen, die sich früher oft gönnerhaft zeigten, haben genug mit eigenen Problemen zu kämpfen. Spaniens Wirtschaft steckt in einer tiefen Rezession. Das Bruttoinlandsprodukt sank in den ersten drei Monaten des Jahres um 0,4 Prozent. Sportmanager Grothe rechnet deshalb nicht mit Unterstützung."Die finanzielle Lage spanischer Vereine war schon immer dramatisch. Doch früher oder später kam immer ein Liebhaber, der die Vereine gerettet hat. Bloß jetzt wird keiner mehr auftauchen. Ausklammern will der Sportmanager nur Real Madrid und den FC Barcelona. Die beiden Großen sind mit Abstand die umsatzstärksten Vereine Europas. Real hat in der vergangenen Saison 480 Millionen Euro eingespielt, Barca folgt mit 450 Millionen Euro. Die Königlichen aus Madrid verkündeten gleich nach dem Bekanntwerden der hohen Steuerschulden, dass sie diesbezüglich eine weiße Weste haben. Barca hat zwar hohe Kredite und steht auch beim Staat mit 48 Millionen Euro in der Kreide, aber die Gesamtverschuldung sinkt seit der vergangenen Saison. "Real und Barca haben starke Einnahmen, dass für sie wohl keine Gefahr besteht", sagt Thomas Fuggenthaler, Experte bei Ernst & Young. Selbst das Ausscheiden beider Teams in der Champions League dürfte sie zwar sportlich peinigen, aber finanziell nicht so sehr belasten. Über Barca und Real ergießt sich seit Jahren ein Geldregen, da sie ihre TV-Rechte selbst vermarkten können – etwa die Hälfte der Fernseheinnahmen der Liga fließen an die zwei Top-Klubs, die zusammen so über 350 Millionen Euro einnehmen. Der Rest der Liga muss dagegen darben. Aus dieser Wirtschaftskraft speist sich die beeindruckende sportliche Dominanz in der Liga. Vorne liegt Real Madrid, doch als Verfolger hat Barcelona noch sagenhafte 26 Punkte Vorsprung auf den Drittplatzierten FC Valencia. Ausgerechnet diese enorme Position der Stärke könnte langfristig jedoch auch den Großen zum Verhängnis werden. "Wettbewerb braucht schließlich auch Wettbewerber", sagt Fuggenthaler. "Irgendwann könnte die Dominanz der Dickschiffe die Zuschauer langweilen und Sponsoren verschrecken. Diese Angst hat man mittlerweile selbst bei den Top-Klubs. Ein Manager einer der beiden Vereine hat mir neulich gesagt, dass man erkannt hat, welche Probleme die dezentrale Vermarktung mit sich bringt", sagt Fuggenthaler. Womöglich könnten dann die gesamten Einlagen der Liga steigen, da die Vereine an Marktmacht gewinnen würden. Auch Ökonom Jose' Gay de Lie'bana rät den Vereinen zu mehr Gemeinschaftssinn: "In Spanien kämpft jeder Klub für sich allein. Die Vereine sollten sich zusammenschließen. So könnten sie gemeinsam Marktmacht aufbauen und wären in einer besseren Verhandlungsposition". Neidvoll blickt man in Spanien auf die deutsche Liga. Denn während die spanischen Klubs bei ihrer Regierung betteln müssen, können sich die deutschen Vereine über ein kräftiges Einnahmeplus freuen. Vergangene Woche gab die Liga bekannt, dass die Profivereine dank eines neuen TV-Vertrages zwischen 2013 und 2017 jährlich rund 628 Millionen Euro einnehmen werden – das sind rund fünfzig Prozent mehr im Vergleich mit der derzeitigen Vereinbarung. Beobachter hatten ursprünglich nur mit etwa 500 Millionen Euro gerechnet. "Die Medien-Einnahmen waren bisher der einzige Block, bei dem die Bundesliga noch zurückhing", sagt Unternehmensberater Rothenbücher.
Hier liegt England laut der Vermarktungs-Agentur Kentaro weit vorne mit 1.430 Millionen Euro, gefolgt von Spanien mit etwa 850 Millionen und Italien mit 829 Millionen. Vor allem in der Auslandsvermarktung hängen die deutschen Klubs jetzt noch deutlich zurück. Die Liga ist zwar bereits in 208 Ländern zu sehen. Allerdings sind die Preise noch gering. Die Liga hofft für die nächste Rechteperiode ab 2013 auf rund 70 Millionen Euro jährlich. Spanien kassiert hier beispielsweise 250 Millionen Euro. Doch auch dieser Abstand wird vermutlich bald schwinden. Spätestens dann, wenn in den deutschen Stadien immer namhaftere Spieler auflaufen werden – und das wird passieren. "Die Bundesliga profitiert nämlich doppelt: Sie wird stärker, während die anderen Ligen schwächer werden", sagt Rothenbücher. Die finanziellen Probleme in anderen Ligen führten zu sinkenden Preisen bei Top-Stars – die prosperierenden deutschen Klubs können auf Einkaufstour gehen. Die Fans wird es freuen. "Wir werden in der deutschen Liga bald wieder mehr Weltstars sehen."