Wann muss man von seinem Trainer Abschied nehmen?
Die halbe Liga ist abstiegsreif. Jeder schlägt keinen, fast alle spielen remis. Nun beginnt die Zeit, in der die Manager unruhig werden und über ihre Trainer nachdenken. Noch letzte Woche war auf einer Bundesliga-Tribüne in Großaufnahme ein gähnender Fan zu sehen. Er hatte den Mund so groß und gelangweilt offen, dass man noch den Schweiß an der Schuhsohle sah. Das ist jetzt vorbei. Die Saison tritt jetzt in eine neue Phase – es geht jetzt um alles, wenn nicht gar um mehr. Woran man den Ernst der Lage erkennt? An den Interviews. Vor allem an den verspannten Gesichtszügen von geknickten Reportern, wenn sie im Rahmen des Mitgefühls die spannende Schicksalsfrage ("War das heute ein Schicksalsspiel?") an die vom Unglück heimgesuchten Trainer richten – verbunden mit der nicht minder besorgten Frage an die Vereinsbosse: "Wie lange schauen sie bei diesem Elend noch untätig zu?". Die Gesichter werden auf breiter Front immer länger, die halbe Liga lässt mehr oder weniger den Rüssel hängen. Haben Sie mehr oder weniger Michael Skibbe nach dem 0:1 seiner Hertha gegen Hannover 96 gesehen? So sieht einer aus, der weiß, was ihn heute morgen beim Bäcker an Seitenblicken erwartet – und er kann froh sein, wenn er keinen Sohn hat, denn in der Schule wäre dem als Mobbing am Montagmorgen ein verächtliches "Wass iss'n dein Alter für 'ne Niete" gewiss.
Auch Nürnbergs Trainer Dieter Hecking sieht neuerdings aus, als rechne er mit der Beschneidung seiner bürgerlichen Ehrenrechte. Unter einer dicken Mütze hat er beim 0:2 gegen Dortmund seine klirrende Abstiegsangst versteckt und dreingeschaut wie Bill Shankly, der als Legende des FC Liverpool einst sagte: "Es gibt Leute, die halten Fußball für eine Sache auf Leben und Tod. Mir gefällt dieses leichtfertige Geschwätz nicht – ich kann jedem versichern, dass es schlimmer ist". Dazu passt, was wir an üblen Gerüchten aus der Bundesliga hören. Scharenweise sollen die Trainer an den Samstagabenden daheim regelmäßig ihre Frauen vermöbelt und sich anschließend vier bis fünf Bier und 2 Baldriantropfen hinter die Binde gegossen haben – um dann doch nicht einschlafen zu können. Wer schläft überhaupt noch ruhig? Womöglich nicht einmal Jupp Heynckes. Wenn der so wackelig weitermacht, zwingt er Uli Hoeneß am Ende noch mal zu dem, was der als "meinen größten Fehler" bezeichnet hat, nämlich den Rauswurf des Freundes. Aber in der halben Bundesliga ist es momentan klüger, wenn die Bosse und Trainer ihre Freundschaft auf später verschieben. Blindlings tauschen würde man in puncto Sicherheit nur mit Klopp, Favre, Stevens und Magath, weil der sich vermutlich nicht selbst entlässt. Stabil sitzen sieht man kurzfristig auch Slomka, Schaaf, Fink und der gerade frisch verpflichtete Streich in Freiburg – sowie Jose Luhukay. Der hat seinen Augsburgern rechtzeitig die Wirklichkeit eingetrichtert, wie das letztmals Aleksandr Ristic vor tausend Jahren bei Fortuna Düsseldorf mit dem Geständnis gelang: "Wir haben das Problem, dass wir gegen zu viele Mannschaften spielen, die besser sind als wir." Das ist diesmal anders. Die halbe Liga ist abstiegsreif. Jeder schlägt keinen, fast alle spielen remis. Und somit sind die meisten Klubs mit einem mulmigen Gefühl aus dem Wochenende, das Gourmets so beschreiben: "Ein Unentschieden fühlt sich an, als ob man seine Schwester küsst – und eine Niederlage wie das Küssen der zahnlosen Oma. Das ist alles keine Gaumenfreude, auch nicht für die Manager, die kühlen Kopf bewahren sollen beim Zittern und Zähneklappern und dem hellseherischen Beantworten der Frage: "Rettet oder ruiniert uns dieser Trainer?". Keiner weiß es. Und die Trainer wehren sich clever. "Im Gegensatz zu anderen haben wir es geschafft, Borussia Dortmund herauszufordern", sagte Nürnbergs Hecking. Auch Skibbes Durchhalteparolen nach der dritten Niederlage im dritten Spiel hatten es durchaus in sich, hören wir kurz rein: "Das war ein deutlicher Fortschritt gegenüber letzter Woche – und verloren haben wir nur durch einen Sonntagsschuss". Im Grunde haben die Berliner gar nicht verloren, es ist ihnen nur die Zeit davongelaufen. Gut, das zu wissen, wird sich der Manager Preetz jetzt womöglich sagen, das verändert doch sehr die Lage. Anderswo bleibt sie allerdings prekär. Etwa in Hoffenheim. 2:2 gegen Augsburg, da schrillen alle Glocken, und schonungslos schimpft Trainer Holger Stanislawski: "Wir haben für 15 Minuten als Mannschaft funktioniert." An der Stelle kann sich Dietmar Hopp, der Allmächtige im Kraichgau jetzt aussuchen, was ihm dieses Trainerwort sagen soll. Dass die Mannschaft ab sofort 75 Minuten länger spurt und die Gegner künftig im Viereck herumschlägt – oder ob er diese jämmerliche Viertelstundentruppe demnächst nicht selber trainieren sollte. Bei Volker Finke in Köln ist ein solcher Schritt jederzeit drin. Wie bereits letzte Saison machte sich der Sportchef auch jetzt die Frage wieder nicht leicht, ob er den Trainer stückchenweise abmontieren soll. Damals hieß er Schäfer, jetzt Solbakken, aber das ist doch egal – ohne den Norweger groß zu fragen, hat er Chong Tese verpflichtet. "Ich durfte ihn nur kurz sehen", hat Stale Solbakken ungefähr gesagt. Das wiederum wird Finke nicht gefallen, jedenfalls war vor dem Schicksalsspiel in Kaiserslautern klar: Ein Sieg oder Stale geht an Krücken wie Poldi. Auf einem schmalen Grat wird in diesem Geschäft von einem Protagonisten über den anderen entschieden – und stets mit dem Hinweis, dass man notfalls rücksichtslos Rücksicht nehmen muss auf das Wohl des Vereins. So kommt es gerne zum Schnellschuss, Abschuss oder sonstigen Kurzschluss. Neulich hat es Leverkusens Trainer Robin Dutt so erklärt: "In diesem System übt jeder Druck auf jeden aus, Spieler auf Trainer, Trainer auf Spieler, Medien auf Spieler, Medien auf Trainer, Fans auf Spieler, Fans auf Trainer". Den Druck der Bosse auf den Trainer hat er weggelassen, um keine schlafenden Hunde zu wecken. Denn auch Dutt steht nicht ganz außer Frage. Im Krisenmanagement in Sachen Ballack war vieles unnötig, oder das Los Barcelona in der Champions League. Diese Prüfung ist demnächst, und entweder geht es Dutt danach erstklassig oder noch dürftiger als momentan. Es will einfach nicht laufen, und das Stirnrunzeln seiner Bosse erinnert fast an den legendären Verzweiflungsanfall, mit dem im amerikanischen Basketball einmal Pat Williams als Manager der Orlando Magic seinen Trainer händeringend fragte: "Wir gewinnen zuhause nicht und wir gewinnen auswärts nicht – fällt Ihnen darüber hinaus noch ein Ort ein, an dem man gewinnen könnte?". Das ist derzeit das schreckliche Los der Manager in der halben Liga – sie überlegen hin und her, ob sie den Trainer besser gleich feuern oder erst später.
Real Madrid: Abschiedsspiel für di Stefano
Fußball-Idol Alfredo di Stefano erhält ein verspätetes Abschiedsspiel. Ende Januar wird der kolumbianische Traditionsverein Millonarios zu Ehren des 85-Jährigen bei Real Madrid antreten. Das gaben die Millonarios in Bogota bekannt. Di Stefano hatte vor seinem Wechsel zu den Königlichen in Madrid vier Jahre in der kolumbianischen Hauptstadt Bogota (1949-1953) gespielt. Damals galten die Millonarios als eines der besten Klubteams der Welt. Mit Real Madrid gewann der gebürtige Argentinier anschließend fünfmal in Folge den Europapokal der Landesmeister.
BVB-Boss kontert dem Kaiser
Franz Beckenbauer
hat nach dem tollen Rückrundenstart Dortmund schon zum kommenden Meister gemacht. Doch das passt den BVB-Bossen nun überhaupt nicht. Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke konterte dem Kaiser in der "Bild". "Franz Beckenbauer ist eine Ikone. Aber vielleicht ist es für ihn als Ehrenpräsident von Bayern einfacher, wenn er sich zu seinem Verein äußert. Wir sind bisher damit gut gefahren, unsere eigene Strategie zu verfolgen".
Mario Basler: FC Bayern ohne Arjen Robben besser
Beim Rekordmeister läuft es in der Rückrunde bisher alles andere als rund. Mario Basler sieht einen Grund dafür im Einsatz von Arjen Robben und sagt, dass Jupp Heynckes auf den Niederländer verzichten sollte. Die "Sport1-User" stimmen mit dem ehemaligen Bayern-Profi überein. 43,6 Prozent meinen, dass die Münchner ohne Robben besser dran wären. Nur 37,6 Prozent glauben, dass die Bayern den Niederländer brauchen. 18,8 Prozent würden den Einsatz von Robben vom Gegner abhängig machen.
Michael Skibbe: Bleibe noch lange in Berlin
Trainer Michael Skibbe hat seinen Optimismus trotz der negativen Entwicklung von Hertha nicht verloren. "Wir haben die Klasse und ich bleibe auch noch lange bei Hertha", sagte er in einem Interview mit der Berliner Tageszeitung "B.Z.". Allerdings kündigte der 46-jährige Coach an, bei weiteren schwachen Leistungen die Zügel anzuziehen. "Wenn ich noch einmal so eine erste Halbzeit wie die gegen den HSV sehe, dann explodiere ich aber".
Oliver Kahn gibt Ballack Tipps
Nun erteilt auch Oliver Kahn dem bei Leverkusen in Ungnade gefallenen Michael Ballack Ratschläge. "Es gilt die Zeichen der Zeit richtig zu erkennen", schrieb der 42 Jahre alte Torwart-Titan in einem Blog. Der 35 Jahre alte Ballack wolle wie schon in der Nationalmannschaft auch bei Bayer nicht einsehen, dass er verzichtbar geworden sei. "Ein frühzeitiger, ehrenvoller Rückzug, ein souveräner Umgang mit der Reservistenrolle wäre für Ballack die intelligentere Lösung gewesen", so Kahn.
Nerlinger: Wir sind unter Druck
Nach dem 1:1 beim Hamburger Sportverein und dem Verlust der Tabellenführung hängt der Himmel beim FC Bayern voller Wolken. "Das war nun wirklich kein guter Start in die Rückrunde. Aus drei Punkten Vorsprung wurden zwei Punkte Rückstand, das sagt eigentlich alles. Wir sind unter Druck", meinte auch Christian Nerlinger. Thomas Müller scheint die Meisterschaftsfete schon davonschwimmen zu sehen. "Wenn du Meister werden willst, musst du viele Spiele gewinnen. Und das ist bei uns im Moment nicht der Fall".
Zitate
"Die einzigen, die auf dem Platz bei der Kälte leiden, sind die Trainer".
Antwort von Schalkes Trainer Huub Stevens auf die Frage eines Sportreporters, ob es jetzt für die Spieler nicht zu kalt auf dem Platz sei.
"Ich sage nur: "Herzlich willkommen im Abstiegskampf!"
Peter Niemeyer von Hertha BSC nach der 0:1 Niederlage gegen Hannover 96.
"Sind Sie verrückt oder was?"
Gladbachs Trainer Lucien Favre auf die Frage eines Sky-Reporters, ob das 0:0 in Wolfsburg ein Rückschlag im Titelkampf sei.
"Wir müssen Borussia Dortmund irgendwie auf unser Niveau herunterkicken".
Thorsten Gutzeit, Trainer des Regionalligisten Holstein Kiel vor dem Halfinale des DFB-Pokals gegen den Deutschen Meister Borussia Dortmund.