December 22, 2009

Jupp Heynckes aus dem Altersheim holt sich mit Bayer Leverkusen die Herbstmeisterschaft und sorgt damit für die größte Überraschung in der Hinrunde

So schnell kann es gehen. Günter Netzer nennt es einen "Geniestreich", der Boulevard schreibt von "Jupp, Jupp. Hurra", und im Bayer-Stadionheft nennen sie den Mann an der Seitenlinie einfach den "Fußballversteher". 17 Spiele hat es gedauert, Herbstmeister ist er geworden und auf einmal ist Deutschland ein bisschen "Jupp".
Man kann nicht sagen, dass man damit unbedingt gerechnet hatte. Okay, bei den Bayern hatte er als Nachfolger von Jürgen Klinsmann ein erfolgreiches Kurzcomeback gegeben, wobei dort wohl auch der Greenkeeper eine ordentliche Bilanz zustande bringen würde. Rentner statt Reformer, war der Tenor. Einer, der den Fußball versteht, ohne ihn zu erklären. Im Grunde waren sie nur froh, schnell einen Ersatz gefunden zu haben, der keinen Ärger macht. Dann wurde die Stirn gerunzelt. Bayer Leverkusen verpflichtete Jupp Heynckes. Einer von gestern soll mit einer jungen Mannschaft den Fußball von morgen spielen. Einer, der schon im Fußball-Altersheim war. Es wurde nur noch gespottet. In München, das klang noch nett, holt man einen verdienten Mann, der ein paar Wochen das Team bei Laune halten soll und keine Ambitionen auf Weiterbeschäftigung hat. Aber dann? Ein voller Vertrag? Ein ernsthafter Job? Man hat gefahndet, was eigentlich Dettmar Cramer und Udo Lattek so machen und wo die bald anheuern.
Zu alt für den modernen Fußball, in Gladbach zuvor grandios gescheitert, ebenso auf Schalke. Damals sagte Rudi Assauer: "Der Jupp ist ein Fußballer der alten Schule, aber wir haben 2004". In Gladbach haben sie Don Jupp vom Hof gejagt, da war er kein hübscher Oldtimer mehr, sondern einer für die Abwrackprämie auf dem Schrottplatz der Fußballlehrer. Seine Zeit galt als längst abgelaufen, das sahen alle so.
Man sei überzeugt, hieß es bei Bayer Leverkusen, dass ein erfahrener Trainer wie er der jungen Truppe gut tun würde. Man weiß nicht, ob es Mut, Verzweiflung oder einfach Überzeugung war, aber: alles richtig gemacht. Und man sieht daran auch ein bisschen, wie zufällig der Sport ist.
Was hier scheitert, funktioniert dort.
Und alt gibt es nicht. Ein Auto gilt mit mehr als 30 Jahren als Oldtimer, eine Kunstturnerin mit 17, ein Käse mit sieben Tagen. Alt ist relativ. Lance Armstrong will mit 38 Jahren die Tour gewinnen, Michael Schumacher mit 41 Jahren Formel-1-Weltmeister werden – und Jupp Heynckes mit 64 Jahren deutscher Meister. Am 9. Mai wird Jupp Heynckes 65 Jahre. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO gilt er dann offiziell als alter Mann.